1959-1969: Dr. Werner Wrage
Der Hamburger Naturwissenschaftler und Lehrer war wiederholt um die Mitte des 20. Jahrhunderts in Marokko unterwegs. Seine Voraussetzungen waren etwas besser als die der zuvor Vorgestellten. Er benötigte keine Tarnung mehr. Eine Bescheinigung, die ihn als Moslem ausgab erleichterte ihm seine Forschungen und Kontakte zu einheimischen Würdenträgern sehr. Sie öffnete ihm auch die Türen zu Moscheen.
Wenn wir seine Berichte heute lesen ist das Abenteuer pur. Für uns gut vorstellbar aber dennoch weit weg.
Dr. Wrage interessiert sich einfach für alles, später besonders für den afrikanischen Kontinent und ganz besonders für Marokko. Das Land hat ihn in seinen Bann gezogen.
Der hervorragende Erzähler und Fotograf fesselt mit seinen Reiseberichten. Ergänzt mit zahlreichen Farbfotos von Menschen, Tieren, Pflanzen, Landschaften und Gebäuden. Wissensvermittlung für jedermann ganz unwissenschaftlich und alles andere als trocken. Durchmengt mit Erlebnissen, Abenteuern und Geschichte(n). Wrage hat auch Visionen, die wir heute bestätigt sehen. Seine Bücher sind zeitgemäß und wirklich gut lesbar.
Die zahlreichen Studienreisen hat er in 3 Büchern zusammengefasst:
„Frühlingsfahrt in die Sahara“ von 1959 führt quer durch Europa, erster Stopp in Granada, Spanien. Über Ceuta geht es durch das Riff-Gebirge über die Oase Figuig und das Tafilalet weiter nach Algerien. Wrage erinnert an einen Empfang 1954 beim Berberfürsten el Glaui, dem Pascha von Marrakesch in seiner Kasbah in Telouet.„Die Strasse der Kasbahs“ von 1969 führt u.a. von Goulmima entlang der Straße, die dem Buch den Titel gab über Ouarzazate und das Ounila-Tal über Telouet nach Marrakesch.„Jenseits des Atlas“ von 1969 ist als 2. Teil zur „Strasse der Kasbahs“ konzipiert. Aber auch wer das Buch nicht kennt, kommt gut klar. Wrage beschreibt u.a. die heutige N9 zwischen Marrakesch und Zagora, reist über Taznakht und Taroudant bis nach Guelmim. Agadir Id Aissa besucht er in abenteuerlicher Fahrt, fährt nach Tafraoute und zum Agadir Tasguent. Weiter über Agadir entlang der Antlantikküste bis in den Norden. Zurück nach Agadir und auf Pisten über den Tizi’n Test bis zu seinem Ziel Marrakesch. Trotz intensiver Recherche konnten wir nur wenig Biographisches über Werner Wrage finden. Er erscheint uns etwas geheimnisvoll; viele Fragen bleiben offen.
Warum erschienen seine Marokko-Bücher zu Zeiten des tiefsten „kalten Krieges“ zwischen Ost- und Westdeutschland in einem ostdeutschen Verlag? In einem Land, in dem Papier knapp und den Bewohnern klar war, dass es niemals vorgesehen war, dass sie dieses Land bereisen dürften? Warum fotografierte er auch mit Kameras aus Dresden, aus ostdeutscher Produktion? Zu gern würden wir mehr erfahren.
Um dennoch ein Bild von ihm zu bekommen, geben wir hier Auszüge aus Texten wieder, die uns von spierentonne.de zur Verfügung gestellt wurden und ergänzen mit unseren Gedanken.
*25.10.1905 Hamburg • Realgymnasium des Johanneums Armgartstraße • Realschule Blankenese • Abschlußprüfung (Obersekundareife) • ab ca. 1920 begeisterter Faltbootfahrer • Reifeprüfung Oberrealschule Altona-Ottensen • Abitur • Studium der Naturwissenschaften in Hamburg und Freiburg i. B. • 1929 mündliche Doktorprüfung Hamburg • Nach 1947 Expeditionen nach Nordafrika • Bis 1968 Biologie-Lehrer Gymnasium Hamburg-Blankenese • 1985 Tauchexkursion an tropischen Korallenriffen • 1995 botanische Exkursion Südafrika • † August 2005
Mit einem VW-Käfer starteten seine Expeditionen immer daheim in Hamburg. Dabei waren bis zu 3 weitere Personen. Zelte samt Schlafsäcken und Luftmatratzen, natürlich Kleidung, zahlreiche Landkarten und Bücher, Kochgeräte und Lebensmittel, zuweilen bis zu 40l Trinkwasser, Geschenke, mehrere Fotoausrüstungen, Tonbandgerät, wissenschaftliche Geräte wie Thermometer, Höhen-, Hygro- und Barometer, Zeichenmaterial, Werkzeug, Ersatzreifen, Benzinkanister und auf dem Dach die riesige Botanisiertrommel…
Auf dem Rückweg von Marokko nach Hamburg waren dann oftmals noch lebende Kleintiere wie Echsen, Schlangen sowie Insekten dabei - nebst notwendigem Futter. Die Botanisiertrommel war gefüllt, zahlreiche Andenken wie z.B. Bekleidung und Musikinstrumente waren gekauft. Erhaltene Geschenke -darunter zuweilen auch Waffen- mussten selbstverständlich auch mit.
Wie ging das?
Prof. Herbert Popp, der sich intensiv mit Wrage beschäftigt hat stellt fest, Wrage sei der Schöpfer des Begriffs „Straße der Kasbahs“. Ihm sei es zu verdanken, dass heute zumindest in jedem deutschen Reiseführer mit dieser Bezeichnung auf den betreffenden Landstrich als auch auf die Speicherburgen Id Aissa und Tasguent hingewiesen wird.
Wrage hat die Hoffnung auf eine spätere touristische Nutzung, befürchtet aber auch den Verfall, dem wir inzwischen begegnen.
In KANU SPORT erinnert Carlo Schagen in dem Beitrag „Zum Tod von Dr. Werner Wrage“ an eine „alte Faltbootlegende“, die im Alter von fast 100 Jahren verstarb:
… Beliebt war er bei seinen Schülern nicht nur deshalb, weil diese sich in der Regel ihre Noten selbst geben durften, sondern vor allem, weil er stets von seinen Reisen allerlei exotisches Getier in den Unterricht mitbrachte, das für Neugier, Aufregung und große Begeisterung sorgte…
…Er zeichnete, aquarellierte und vertiefte sich in Weltreligionen. Er sammelte Gesteine, Schnecken, Muscheln und allerlei völkerkundlich Interessantes, pflegte Tiere und Pflanzen, bis seine Wohnung in Hamburg-Blankenese nur noch einem einzigen Museum glich…
Die Bücher von Dr. Wrage sind antiquarisch erhältlich:
1* Frühlingsfahrt in die Sahara
1* Die Strasse der Kasbahs - Unter den Berbern Südmarokkos
1* Jenseits des Atlas - Unter den Berbern Südmarokkos